Schnupperpraktikum in in Bad Liebenwerda (07/2018)
Einleitung
Als ich Anfang diesen Jahres von dem Gewinnspiel hörte, dachte ich mir: Ach da gibs was zu
gewinnen, machste mal mit. Der Einsatz war nicht hoch: ein Foto mit Accessoires eines
Landtierarztes. Gesagt, getan: also Handschuhe geschnappt und ein verwackeltes Bild von mir
beim Versuch gemacht, meinen Chihuahua zu rektalisieren. Dass ich da dann auch noch
gewonnen haben sollte, fand ich anfangs eher belustigend. Dazu kamen noch von außerhalb
Kommentare á la Wie? Man kann ein Praktikum gewinnen? Vetion schrieb mich bald an und so
kam dann alles in die Wege: Für mich wurde ein Praktikumsbetrieb in meiner Nähe organisiert, bei
dem ich sehr spannende, aber leider viel zu schnell vorübergegangene fünf Tage erleben durfte.
Ein großartiges Erlebnis, das ich nur dieses kleinen scherzhaft gemeinten Fotoshootings gewinnen
konnte.
Erwartungen zu Praktikumsbeginn und bisheriger Kontakt zur Großtierpraxis
Meine bisherigen Praktika absolvierte ich alle bei einer selbstständigen Pferdepraktikerin. Da ich
auch mit Pferden aufwuchs, war mir das recht und genehm gewesen. Rinder und Schweine
kannte ich aus Extensivhaltungen und vom Teller her, hatte sie immer als sehr angenehme Tiere
empfunden. Ich interessierte mich für sie, aber zog sie beruflich nur als Beifang in Betracht.
Pferde, so dachte ich, mit denen ließe sich Geld verdienen. Die Besitzer sind zwar zuweilen recht
anstrengend, aber man kann therapeutisch viel mit Ihnen machen, ist der Fachmann für alles und
eine respektierte Person. Mir gefiel die Pferdepraxis auch deshalb gut, weil man viel unterwegs
war, viel Freiheit genoss und neben den anstrengenden Kunden auch Bauern traf, mit denen man
ganz unkompliziert einen Kaffee trinken konnte. Die Kleintierpraxis zog ich nie in Betracht, weil ich
viel lieber draußen arbeite und mir das sehr ungesunde bis krankhafte Verhältnis einiger Besitzer
zu ihren Tieren übel aufstieß.
Demzufolge waren meine Erwartungen zu Praktikumsbeginn eher begrenzt. In fünf Tagen rechnete
ich nicht mit zu viel Action. Ich dachte, ich könne ganz gemütlich umherfahren, ein paar Landwirte
treffen und über deren Kühe und Schweine quatschen. Dabei ein paar neue Fakten lernen und
nebenbei die Gegend um Bad Liebenwerda erkunden. Das ganze, dachte ich, würde jeden Tag so
bis in die frühen Abendstunden dauern, von einer 40h-Woche wagte ich nicht zu träumen. Und ich
freute mich, endlich mal selbst diese Rektale Untersuchung ausprobieren zu können, von der
ich in Vorlesungen schon so viel gehört hatte.
Meine Erlebnisse
Ich will hier examplarisch den Mittwoch meines Praktikums beschreiben und die besonderen
Wochenhighlights am Ende nochmal erwähnen.
Vormittags waren stets die regulären Termine mit Milchbetrieben angesetzt. Diese begannen mit
der Trächtigkeitsuntersuchung (TU). Das Prinzip kannte ich schon vom Pferd. Ich war aber
beeindruckt, wie schnell Dr. Kreher den Trächtigkeitsstatus und das Alter der Frucht präzise
vorhersagen konnte. Er hatte ein sehr modernes Ultraschallgerät, bei dem ich über einen
separaten Bildschirm zuschauen konnte. Manche Kühe waren zur Corporalkontrolle da, bei ihnen
wurde der Status der Brunst überprüft und der optimale Besamungszeitpunkt bestimmt. Ich
konnte auch selber mit der Hand hineinlangen, hatte aber am Anfang noch sehr große
Schwierigkeiten, mich zurecht zu finden. Am Anfang fühlt man nur viel Wärme und Teile des
Beckens. Nach ein paar Tagen konnte ich den Uterus sicher ertasten und den Pansen und die
linke Niere fühlen. Am letzten Tag gelang es mir schließlich, die Ovarien zu ertasten, was für mich
ein großes Erfolgserlebnis war, aber noch weit hinter den Fähigkeiten des Tierarztes zurückblieb. Er konnte Alter der Frucht und Funktionsgebilde des Eierstocks sogar ohne Ultraschallgerät
überraschend genau bestimmen.
Nach der Trächtigkeitsuntersuchung wurden stets die übrigen Probleme des Betriebs
abgearbeitet, d.h. Lahmheitsdiagnosen, Medikamentenverkauf, Besprechung von Krankheiten
und Prophylaxen, etc. An jenem Mittwoch wurde eine Kuh enthornt, wobei ich selber
anästhesieren durfte, sowie mich in der Blutentnahme aus der Schwanzvene versuchen durfte.
Sehr interessant war der Fall eines Kalbes, das mit einer schweren Beugesehnenverkürzung zur
Welt gekommen war. Es war eine Woche vorher einer Tenotomie der Beugesehnen unterzogen
worden. Wir begutachteten die Entwicklung nach der Operation und mussten ein Bein nochmal schienen, um es in eine Streckhaltung zu bekommen. Dem Kalb wurde Bewegung verordnet,
worüber die Betriebsleiterin sehr aufgeschlossen war und ihm einen Auslauf an sein Iglu bauen
ließ.
Im nächsten Betrieb waren wir schnell fertig, denn es waren nur zwei TUs und zwei Lahmheiten zu
überprüfen. Im darauffolgenden gab es eine ganze Menge Trächtigkeiten zu untersuchen. Ich
hatte Anfang der Woche bei dieser Tätigkeit noch mit aufkommender Langeweile gerechnet, die
kam aber nie auf, da ich immer daran arbeiten konnte, meine neuen Fähigkeiten zu verbessern.
Wir kontrollierten noch zwei Lahmheiten und gaben Antibiosen.
Zur Routine auf den Höfen gehörte immer auch die Hygiene. Die bestand aus der Verwendung
betriebseigener Schutzkleidung und dem generellen Arbeiten mit Schutzhandschuhen. Vor
Abfahrt wurden die Schürzen von Mist befreit, sowie die Gummistiefel gereinigt und desinfiziert.
Nach der Mittagspause sollte ich Hygienemanagement in einer sehr strengen Form erleben, auf
einem großen Schweinemastbetrieb nämlich. Hier war alles in einen Schwarz- und einen
Weißbereich unterteilt. Der Weißbereich war der Bereich, wo die Schweine standen und in den
demzufolge keine Keime eingeführt werden sollten. Der einzige Zugang zum Weißbereich führte
durch eine Dusche. Nach dem Duschen musste man sich Einmalunterwäsche anziehen und
betriebseigene Overalls als auch Gummistiefel, die den Weißbereich niemals verließen. Wir nahmen dort einige Proben fürs Mikrobiologie-Labor und inspizierten den
Gesundheitszustand der Mastferkel. Der Betriebsleiter war sehr aufgeschlossen und diskutierte
von sich aus mit mir über Haltungsbedingungen und Tierwohlaspekte in der
Schweinefleischerzeugung. Es war ein sehr spannendes Erlebnis für mich, eine oft so
beschimpfte Tierfabrik von innen zu sehen. Auch das Besprechen der Keimbelastung in
Schweinemastanlagen und deren Eradikationsmöglichkeiten fand ich außerordentlich interessant.
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Ich habe festgestellt, dass der Nutztierarzt sehr viel nachdenken muss über Mikrobiologie,
Hygienemanagement und Resistenzproblematiken. Es ist also mitnichten ein einfacher
Handwerksberuf und mit dieser Denkarbeit kann er das Wohlergehen von sehr viel mehr Tieren
beeinflussen, als ein durchschnittlicher Kleintierpraktiker.
Weitere interessante Fälle der Woche waren eine Gangbildanalyse beim Hund, bei der ich helfen
konnte, den Hund vorzuführen. Hochspannend war die Operation einer linksseitigen
Magenverdrehung, die Dr. Kreher sehr schnell und ordentlich operierte und mir trotzdem jeden
einzelnen Schritt der von ihm entwickelten Operationsmethode erklärte.
Am Donnerstag musste
ein Kalb aus einer Mutterkuhhaltung mittels Blasrohr sediert werden, um ihm eine Ohrmarke zu
geben. Dr. Kreher traf dabei beim ersten Versuch und gab uns Praktikanten anschließend die
Möglichkeit, unsere Treffsicherheit an einem Pappkarton zu verbessern.
Auch mit Pferden konnte ich einige spannende Erfahrungen machen, wobei man auf sehr
unterschiedliche Halter traf. Das reichte von der Follikelkontrolle im toporganisierten Zuchtstall
über die Uterusspülung beim Kleinzüchter bis hin zur Zahnbehandlung auf einem
Pferdesammelhof. Letzterer wirkte etwas schockierend auf mich, da die Besitzerin mit ihren
Pferden sichtlich überfordert war. Fachlich sehr interessant war ein Pferd, dessen eine Zahnreihe
komplett schief stand. Wir zogen einige Zähne heraus, konnten aber das Gesamtproblem nicht
lösen. Alles in allem habe ich sehr viel gesehen und erleben dürfen und war sehr dankbar, dass
die gesamte Praxis sich sehr viel Zeit nahm, mir jeden einzelnen Arbeitsschritt korrekt zu erklären.
Die Autofahrten wurden genutzt, um mit mir die Pathogenese zahlreicher Krankheiten und
Strukturen in der Tierhaltung zu diskutieren.
Auswertung
Das Praktikum hat meine Erwartungen definitiv übererfüllt. Ich kam in eine sehr moderne und sehr
gut organisierte Praxis mit guter Personalstruktur. Freilich war ich tagsüber immer mit denselben
Leuten unterwegs, aber die gaben sich sehr viel Mühe, mir alles Wichtige mitzugeben, obwohl ich
noch kein einziges klinisches Semester absolviert habe. Dabei wurde stets der Unterschied
zwischen Theorie und Praxis besprochen und mir wurden auch Denkaufgaben gestellt, sodass ich
mich sehr gut auf den tierärztlichen Beruf vorbereiten konnte. Trotzdem es nur fünf Tage ging,
habe ich einen sehr guten Einblick in das Leben eines Großtierpraktikers bekommen, vor allem,
da Dr. Kreher mich auch zu meinen Vorstellungen befragte und seine Sichtweise schilderte.
Ich bin sehr dankbar, dass ich durch dieses Praktikum ein sehr viel realistischere Bild auf die
Arbeit in der Nutztierpraxis bekommen habe. Abgeneigt war ich ihr nie gewesen, aber jetzt ziehe
ich sie als Karriereoption mit Nachdruck in Betracht, vor allem, da ich die Zusammenarbeit
zwischen Landwirt und Tierarzt sehr viel angenehmer fand, als zwischen den meisten
Pferdehaltern und ihm. Ich fand es auch gut, zu erfahren, dass der Alltag eben nicht nur aus
Rektaler Untersuchung, „Rumquatschen“ und dem Verkauf von Medikamenten besteht, sondern
dass er eine sehr schöne Mischung aus Handwerk, Denksport und Kommunikation bietet.
Für mein Studium nehme ich mit, dass ich auf jeden Fall den Fokus auf der Nutztierpraxis
beibehalte und dass ich im praktischen Jahr definitiv wieder zu dieser hervorragenden Praxis
zurückkommen werde. In meinem Bild vom Berufsleben hat sich geändert, dass das
Einzelkämpfermodell auf Dauer zu belastend ist. In einer Praxis mit anderen Tierärzten hat man
zwar auch viel Arbeit, aber gerade die flexiblere Verteilung von Notdiensten und unplanbaren
Terminen macht diese Praxisform zu einer familienfreundlicheren und gesünderen, selbst für den
Inhaber. Dieses Praktikum war eine großartige Erfahrung für mich und hat mir einen tollen Einblick
in den Arbeitsalltag vermittelt. Dadurch bin ich nachdrücklich in meinem Ziel bestärkt worden, in
die Großtierpraxis zu gehen. Auch wenn es sich zunächst etwas albern anhört: Dieses Praktikum
war wirklich ein Gewinn für mich.
Danksagung
Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bei vetion.de bedanken, die dieses
Gewinnspiel mit dem tollen Preis erdacht und mir diese super Praxis vermittelt haben, namentlich
bei Frau Dr. Julia Henning. Außerdem bei dem ganzen Team der Praxis Kreher/ Stammnitz für die
angenehme Atmosphäre und insbesondere bei Herrn TA Lutz Gresch und Herrn Dr. Michael
Kreher, denen ich Löcher in den Bauch fragen durfte, sowie bei Phillip, meinem Co-Praktikanten,
der mich gecoached hat. Und dann noch bei Frau Schenke vom Kinderhof Kauxdorf e.V., die für
mein Obdach in dieser Zeit gesorgt hat. Dies soll zeigen, dass so ein tolles Erlebnis immer nur
durch viele Einzelne zustande kommt und niemals nur einem Menschen zu verdanken ist.
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