Gesetz
zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr
und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen - StZG
(Stammzellgesetz)
Vom 28. Juni 2002,
Bundesgesetzblatt Jahrgang 2002 Teil I Nr. 42, S. 2277 vom 29. Juni
2002, geändert am 25. November 2003, durch Bundesgesetzblatt
Jahrgang 2003 Teil I Nr. 56, S. 2304 vom 27. November 2003, geändert am 31. Oktober 2006 durch Bundesgesetzblatt Jahrgang 2006, Teil I, Nr. 50, S.2407, Art. 37 vom 07.11.2006, geändert am 14. August 2008 durch Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008, Teil I, Nr. 37, S.1708, Art. 1 vom 20.08.2008, geändert am 07. August 2013 durch Bundesgesetzblatt Jahrgang 2013 Teil I Nr. 48, S.3154, Art.2 (29) und Art.4 (16) vom 14. August 2013, geändert am 18. Juli 2016, durch Bundesgesetzblatt Jahrgang 2016 Teil I Nr. 35, S 1666, Art. 4, Abs. 5 vom 22. Juli 2016 und zuletzt geändert am 29. März 2017, durch Bundesgesetzblatt Jahrgang 2017 Teil I Nr. 16, S 626, Art. 50 vom 4. April 2017
§ 1
Zweck
des Gesetzes
Zweck dieses Gesetzes
ist es, im Hinblick auf die staatliche Verpflichtung, die Menschenwürde
und das Recht auf Leben zu achten und zu schützen und die Freiheit der
Forschung zu gewährleisten,
- die Einfuhr und die Verwendung embryonaler Stammzellen grundsätzlich
zu verbieten,
- zu vermeiden, dass von Deutschland aus eine Gewinnung embryonaler
Stammzellen oder eine Erzeugung von Embryonen zur Gewinnung embryonaler
Stammzellen veranlasst wird, und
- die Voraussetzungen zu bestimmen, unter denen die Einfuhr und die
Verwendung embryonaler Stammzellen ausnahmsweise zu Forschungszwecken
zugelassen sind.
§ 2
Anwendungsbereich
Dieses Gesetz gilt für die Einfuhr von embryonalen Stammzellen und für
die Verwendung von embryonalen Stammzellen, die sich im Inland befinden.
§ 3
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses
Gesetzes
- sind Stammzellen alle menschlichen Zellen, die die Fähigkeit besitzen,
in entsprechender Umgebung sich selbst durch Zellteilung zu vermehren,
und die sich selbst oder deren Tochterzellen sich unter geeigneten Bedingungen
zu Zellen unterschiedlicher Spezialisierung, jedoch nicht zu einem Individuum
zu entwickeln vermögen (pluripotente Stammzellen),
- sind embryonale Stammzellen alle aus Embryonen, die extrakorporal
erzeugt und nicht zur Herbeiführung einer Schwangerschaft verwendet
worden sind oder einer Frau vor Abschluss ihrer Einnistung in der Gebärmutter
entnommen wurden, gewonnenen pluripotenten Stammzellen,
- sind embryonale Stammzell-Linien alle embryonalen Stammzellen, die
in Kultur gehalten werden oder im Anschluss daran kryokonserviert gelagert
werden,
- ist Embryo bereits jede menschliche totipotente Zelle, die sich bei
Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen
und zu einem Individuum zu entwickeln vermag,
- ist Einfuhr das Verbringen embryonaler Stammzellen in den Geltungsbereich
dieses Gesetzes.
§ 4
Einfuhr
und Verwendung embryonaler Stammzellen
(1) Die Einfuhr
und die Verwendung embryonaler Stammzellen ist verboten.
(2) Abweichend
von Absatz 1 sind die Einfuhr und die Verwendung embryonaler Stammzellen
zu Forschungszwecken unter den in § 6 genannten Voraussetzungen zulässig,
wenn
- zur Überzeugung der Genehmigungsbehörde feststeht, dass
a) die embryonalen Stammzellen in Übereinstimmung mit der Rechtslage
im Herkunftsland dort vor dem 1. Mai 2007 gewonnen wurden und in
Kultur gehalten werden oder im Anschluss daran kryokonserviert gelagert
werden (embryonale Stammzell-Linie),
b) die Embryonen, aus denen sie gewonnen wurden, im Wege der medizinisch
unterstützten extrakorporalen Befruchtung zum Zwecke der Herbeiführung
einer Schwangerschaft erzeugt worden sind, sie endgültig nicht mehr
für diesen Zweck verwendet wurden und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen,
dass dies aus Gründen erfolgte, die an den Embryonen selbst liegen,
c) für die Überlassung der Embryonen zur Stammzellgewinnung kein Entgelt
oder sonstiger geldwerter Vorteil gewährt oder versprochen wurde und
- der Einfuhr oder Verwendung der embryonalen Stammzellen sonstige
gesetzliche Vorschriften, insbesondere solche des Embryonenschutzgesetzes,
nicht entgegenstehen.
(3) Die Genehmigung
ist zu versagen, wenn die Gewinnung der embryonalen Stammzellen offensichtlich
im Widerspruch zu tragenden Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung
erfolgt ist. Die Versagung kann nicht damit begründet werden, dass die
Stammzellen aus menschlichen Embryonen gewonnen wurden.
§ 5
Forschung
an embryonalen Stammzellen
Forschungsarbeiten
an embryonalen Stammzellen dürfen nur durchgeführt werden, wenn wissenschaftlich
begründet dargelegt ist, dass
- sie hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn
im Rahmen der Grundlagenforschung oder für die Erweiterung medizinischer
Kenntnisse bei der Entwicklung diagnostischer, präventiver oder therapeutischer
Verfahren zur Anwendung bei Menschen dienen und
- nach dem anerkannten Stand von Wissenschaft und Technik
a) die im Forschungsvorhaben vorgesehenen Fragestellungen so weit wie
möglich bereits in In-vitro- Modellen mit tierischen Zellen oder in
Tierversuchen vorgeklärt worden sind und
b) der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte wissenschaftliche Erkenntnisgewinn
sich voraussichtlich nur mit embryonalen Stammzellen erreichen lässt.
§ 6
Genehmigung
(1) Jede Einfuhr
und jede Verwendung embryonaler Stammzellen bedarf der Genehmigung durch
die zuständige Behörde.
(2) Der Antrag
auf Genehmigung bedarf der Schriftform. Der Antragsteller hat in den
Antragsunterlagen insbesondere folgende Angaben zu machen:
- den Namen und die berufliche Anschrift der für das Forschungsvorhaben
verantwortlichen Person,
- eine Beschreibung des Forschungsvorhabens einschließlich einer wissenschaftlich
begründeten Darlegung, dass das Forschungsvorhaben den Anforderungen
nach § 5 entspricht,
- eine Dokumentation der für die Einfuhr oder Verwendung vorgesehenen
embryonalen Stammzellen darüber, dass die Voraussetzungen nach § 4 Abs.
2 Nr. 1 erfüllt sind; der Dokumentation steht ein Nachweis gleich, der
belegt, dass
a) die vorgesehenen embryonalen Stammzellen mit denjenigen identisch
sind, die in einem wissenschaftlich anerkannten, öffentlich zugänglichen
und durch staatliche oder staatlich autorisierte Stellen geführten Register
eingetragen sind, und
b) durch diese Eintragung die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 2 Nr. 1
erfüllt sind.
(3) Die zuständige
Behörde hat dem Antragsteller den Eingang des Antrags und der beigefügten
Unterlagen unverzüglich schriftlich oder elektronisch zu bestätigen. Sie holt zugleich
die Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung
ein. Nach Eingang der Stellungnahme teilt sie dem Antragsteller die
Stellungnahme und den Zeitpunkt der Beschlussfassung der Zentralen Ethik-
Kommission für Stammzellenforschung mit.
(4) Die Genehmigung
ist zu erteilen, wenn
- die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 2 erfüllt sind,
- die Voraussetzungen nach § 5 erfüllt sind und das Forschungsvorhaben
in diesem Sinne ethisch vertretbar ist und
- eine Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung
nach Beteiligung durch die zuständige Behörde vorliegt.
(5) Liegen die
vollständigen Antragsunterlagen sowie eine Stellungnahme der Zentralen
Ethik-Kommission für Stammzellenforschung vor, so hat die Behörde über
den Antrag innerhalb von zwei Monaten schriftlich zu entscheiden. Die
Behörde hat bei ihrer Entscheidung die Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission
für Stammzellenforschung zu berücksichtigen. Weicht die zuständige Behörde
bei ihrer Entscheidung von der Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission
für Stammzellenforschung ab, so hat sie die Gründe hierfür schriftlich
darzulegen.
(6) Die Genehmigung
kann unter Auflagen und Bedingungen erteilt und befristet werden, soweit
dies zur Erfüllung oder fortlaufenden Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen
nach Absatz 4 erforderlich ist. Treten nach Erteilung der Genehmigung
Tatsachen ein, die der Genehmigung entgegenstehen, kann die Genehmigung
mit Wirkung für die Zukunft ganz oder teilweise widerrufen oder von
der Erfüllung von Auflagen abhängig gemacht oder befristet werden, soweit
dies zur Erfüllung oder fortlaufenden Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen
nach Absatz 4 erforderlich ist. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen
die Rücknahme oder den Widerruf der Genehmigung haben keine aufschiebende
Wirkung.
§ 7
Zuständige
Behörde
(1) Zuständige
Behörde ist eine durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit
zu bestimmende Behörde aus seinem Geschäftsbereich. Sie führt die ihr
nach diesem Gesetz übertragenen Aufgaben als Verwaltungsaufgaben des
Bundes durch und untersteht der Fachaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit.
(2) Die bei der
Erfüllung von Auskunftspflichten im Rahmen des Genehmigungsverfahrens
entstehenden eigenen Aufwendungen des Antragstellers sind nicht zu erstatten.
§ 8
Zentrale
Ethik-Kommission für Stammzellenforschung
(1) Bei der zuständigen
Behörde wird eine interdisziplinär zusammengesetzte, unabhängige Zentrale
Ethik- Kommission für Stammzellenforschung eingerichtet, die sich aus
neun Sachverständigen der Fachrichtungen Biologie, Ethik, Medizin und
Theologie zusammensetzt. Vier der Sachverständigen werden aus den Fachrichtungen
Ethik und Theologie, fünf der Sachverständigen aus den Fachrichtungen
Biologie und Medizin berufen. Die Kommission wählt aus ihrer Mitte Vorsitz
und Stellvertretung.
(2) Die Mitglieder
der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung werden von der
Bundesregierung für die Dauer von drei Jahren berufen. Die Wiederberufung
ist zulässig. Für jedes Mitglied wird in der Regel ein stellvertretendes
Mitglied bestellt.
(3) Die Mitglieder
und die stellvertretenden Mitglieder sind unabhängig und an Weisungen
nicht gebunden. Sie sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die §§ 20
und 21 des Verwaltungsverfahrensgesetzes gelten entsprechend.
(4) Die Bundesregierung
wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Berufung
und das Verfahren der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung,
die Heranziehung externer Sachverständiger sowie die Zusammenarbeit
mit der zuständigen Behörde einschließlich der Fristen zu regeln.
§ 9
Aufgaben
der Zentralen Ethik- Kommission für Stammzellenforschung
Die Zentrale Ethik-Kommission
für Stammzellenforschung prüft und bewertet anhand der eingereichten
Unterlagen, ob die Voraussetzungen nach § 5 erfüllt sind und das Forschungsvorhaben
in diesem Sinne ethisch vertretbar ist.
§ 10
Vertraulichkeit
von Angaben
(1) Die Antragsunterlagen
nach § 6 sind vertraulich zu behandeln.
(2) Abweichend
von Absatz 1 können für die Aufnahme in das Register nach § 11 verwendet
werden
- die Angaben über die embryonalen Stammzellen nach § 4 Abs. 2 Nr.
1,
- der Name und die berufliche Anschrift der für das Forschungsvorhaben
verantwortlichen Person,
- die Grunddaten des Forschungsvorhabens, insbesondere eine zusammenfassende
Darstellung der geplanten Forschungsarbeiten einschließlich der maßgeblichen
Gründe für ihre Hochrangigkeit, die Institution, in der sie durchgeführt
werden sollen, und ihre voraussichtliche Dauer.
(3) Wird der Antrag
vor der Entscheidung über die Genehmigung zurückgezogen, hat die zuständige
Behörde die über die Antragsunterlagen gespeicherten Daten zu löschen
und die Antragsunterlagen zurückzugeben.
§ 11
Register
Die Angaben über
die embryonalen Stammzellen und die Grunddaten der genehmigten Forschungsvorhaben
werden durch die zuständige Behörde in einem öffentlich zugänglichen
Register geführt.
§ 12 Anzeigepflicht
Die für das Forschungsvorhaben
verantwortliche Person hat wesentliche nachträglich eingetretene Änderungen,
die die Zulässigkeit der Einfuhr oder der Verwendung der embryonalen
Stammzellen betreffen, unverzüglich der zuständigen Behörde anzuzeigen.
§ 6 bleibt unberührt.
§ 13
Strafvorschriften
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
ohne Genehmigung nach § 6 Abs. 1
- embryonale Stammzellen einführt oder
- embryonale Stammzellen, die sich im Inland befinden, verwendet.
Ohne
Genehmigung im Sinne des Satzes 1 handelt auch, wer auf Grund einer
durch vorsätzlich falsche Angaben erschlichenen Genehmigung handelt.
Der Versuch ist strafbar.
(2) Mit Freiheitsstrafe
bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer vollziehbaren
Auflage nach § 6 Abs. 6 Satz 1 oder 2 zuwiderhandelt.
§ 14
Bußgeldvorschriften
(1) Ordnungswidrig
handelt, wer
- entgegen § 6 Abs. 2 Satz 2 eine dort genannte Angabe nicht richtig
oder nicht vollständig macht oder
- entgegen § 12 Satz 1 eine Anzeige nicht, nicht richtig, nicht vollständig
oder nicht rechtzeitig erstattet.
(2) Die Ordnungswidrigkeit
kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.
§ 15
Bericht
Die Bundesregierung
übermittelt dem Deutschen Bundestag im Abstand von zwei Jahren, erstmals
zum Ablauf des Jahres 2003, einen Erfahrungsbericht über die Durchführung
des Gesetzes. Der Bericht stellt auch die Ergebnisse der Forschung an
anderen Formen menschlicher Stammzellen dar.
§ 16
Inkrafttreten
Dieses Gesetz
tritt am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Monats in Kraft.
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